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Presse

Europa mit Energie versorgen

Längste Erdgaspipeline der Welt mit 1224 km unter Wasser – Anlandung in Lubmin – zwei Leitungen OPAL und NEL durch Deutschland

27.06.2011

Die Bedeutung der Baustelle am Lubminer Hafen für Europa lässt sich auf den ersten Blick nur erahnen. Auf der etwa 12 ha großen Fläche winden sich - scheinbar ungeordnet - unzählige Rohrleitungen über-, unter- und nebeneinander. Einzelne Rohre, mit einer Länge von bis zu 12 m, liegen noch unverbunden an Sammelstellen oder werden von Baggern an ihre endgültige Position befördert. Die weißen Stahlrohre haben einen Innendurchmesser von bis zu 1,15 m und eine Wandstärke von bis zu 4 cm. Sie werden miteinander verschweißt, sind durch riesige Ventile oder durch Flansche miteinander verbunden. Der Verlauf der Rohrleitungen lässt sich schwer verfolgen. Es gibt T-Kreuzungen, hohe und niedrige Bögen, Links- und Rechtskurven, Rohre, die unter Zelten und Gerüsten verschwinden, Rohrenden, die offen stehen, durch Blindflansche verschlossen sind oder einfach im Boden abtauchen.

Pipeline von Russland nach Deutschland
Dieses scheinbare Gewirr aus Rohren ist Teil des Anlandungsbereichs einer der längsten Offshore-Erdgaspipelines der Welt, der Nord Stream-Pipeline. Die Gasleitung verläuft über eine Länge von 1.224 km von der Bucht von Portovaya, Russland, bis zur deutschen Ostseeküste nach Lubmin, Mecklenburg-Vorpommern. Sie besteht aus zwei parallel verlaufenden Pipeline-Strängen. Die Verlegung aller 101.000 Rohre des ersten Strangs wurde im Mai dieses Jahres fertiggestellt. Der zweite Strang befindet sich im Bau und wird voraussichtlich 2012 fertig sein. Die Inbetriebnahme des ersten Nord Stream-Strangs ist für das vierte Quartal 2011 geplant. Die Nord Stream-Pipeline soll das europäische Energienetz mit russischen Erdgasreserven verbinden und so einen Beitrag zu Europas Energiesicherheit leisten. Es ist vorgesehen, dass jährlich rund 55 Mrd. m³ Erdgas durch die zwei Stränge der Nord Stream-Pipeline die Europäische Union erreichen und 26 Mio. Haushalte mit Energie versorgen. Dem Energiestandort Lubminer Heide kommt hierbei eine Schlüsselposition zu, denn er ist die Verbindungsstelle zwischen dem russischen Erdgas und dem europäischen Energienetz. Das Erdgas wird an der Nord Stream-Anlandestelle Lubmin das europäische Festland erreichen. Von dort aus wird das Gas über zwei Anbindungsleitungen in das europäische Energienetz eingespeist. Die OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindungs Leitung) wird das Erdgas über 470 km in südliche Richtung bis an die deutsch-tschechische Grenze transportieren. Die NEL (Nordeuropäische Erdgas-Leitung) führt 440 km in südwestliche Richtung nach Rehden, Niedersachsen. Projektträgerin und Netzbetreiberin beider Leitungen ist die OPAL NEL Transport GmbH, die Teil der Wingas-Gruppe ist.


Verlauf der Nord Stream-Pipeline von Russland nach Deutschland                                      (Abb.: Nord Stream AG)

Zwei Baustellen in einer
Das Baufeld in Lubmin besteht tatsächlich aus zwei Baustellen. Nur der Bereich der Anlandestelle, ein etwa 450 m langer und 150 m breiter Streifen, ist Teil des Nord Stream-Projekts. Hier liegen die beiden parallelen Stränge der Pipeline. Der zweite, größere Teil der Baustelle gehört zur Erdgasübernahmestation der Wingas. Von hier aus soll das Gas aus der Nord Stream in die beiden Anbindungsleitungen OPAL und die NEL weitergeleitet werden.


Das Nord Stream-Projekt
 

Projektdetails

  • Offshore-Erdgaspipeline durch die Ostsee von Wyborg (Russland) nach Lubmin nahe Greifswald (Deutschland)
  • Länge: 1.224 km; zwei parallele Leitungsstränge auf
    dem Meeresboden
  • Gesamtkapazität: 55 Mrd. Kubikmeter Erdgas pro Jahr
    (27,5 Mrd. Kubikmeter pro Pipelinestrang)
  • Leitungsdurchmesser: 1.220 mm, konstanter Innen-durchmesser: 1.153 mm

Anteilseigner

  • OAO Gazprom (Russland, 51 %), E.ON Ruhrgas (Deutschland, 15,5%0); BASF SE/Wintershall Holding GmbH (Deutschland, 15,5%), N.V. Nederlandse Gasunie (Niederlande, 9%), GDF SUEZ S.A. (Frankreich, 9%)

Budget und Finanzierung

  • Gesamtinvestitionen: € 7,4 Mrd.
  • 30% werden von den Anteilseignern durch Eigenkapital finanziert
  • 70% des Budgets werden von Banken und Exportkredit-agenturen finanziert

Zeitplan

  • 1997-1999: Machbarkeitsstudie durch ein finnisch-russi­sches Joint Venture
  • 2005-2008: Technische Planung und Umweltuntersu­chungen
  • 2008-2009: Einreichung nationaler Genehmigungsan­träge für Bau und Betrieb sowie Abgabe der Materialien für die Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVPs)
  • März 2009: Einreichung des Berichts über grenzüber­schreitende Umweltauswirkungen (Espoo-Bericht)
  • Oktober 2009 - Februar 2010: Die dänischen, schwedi­schen; finnischen, russischen und deutschen Behörden erteilen der Nord Stream AG Genehmigungen für den Bau der Pipeline in den Hoheitsgewässern und/oder ausschließlichen Wirtschaftszonen ihrer Länder.
  • März 2010: Nord Stream AG schließt erste Finanzierungs- phase ab.
  • April 2010: Baubeginn
  • 2011: Geplante Inbetriebnahme des ersten Leitungs- strangs
  • 2012: Geplante Inbetriebnahme des zweiten Leitungs­strangs

Gerade werden das Kesselhaus zur Erwärmung des Erdgases, sowie ein weiteres Gebäude für die Messung von Qualität, Menge und Druck des Erdgases gebaut. Desweiteren entstehen hier Verdichterhallen sowie Betriebs- und Versorgungsgebäude. Im Baubereich der Wingas müssen viele Rohre erst noch in ihre endgültige Position gebracht und miteinander verbunden werden. Raupenbagger transportieren sie über das Baufeld.

Die Zweiteilung der Baustelle ist für Außenstehende kaum sichtbar. Auch deshalb, weil Wingas für Planung und Durchführung sowohl des Baus der Anlande- als auch der Übernahmestation zuständig ist. Die Bauaktivitäten werden durch die beiden Firmen Knoll (Fundamente) und Rohr- und Maschinenanlagentechnik GmbH (RMT (Rohre) ausgeführt. Die insgesamt etwa 100 Arbeiter, hauptsächlich Rohrschlosser und Schweißer, sowie die Maschinen werden auf beiden Baustellen eingesetzt.

Das italienische Unternehmen Petrolvalves hat vier jeweils 102 t schwere Absperrarmaturen für die Nord Stream-Pipeline entwickelt und produziert. Vom italienischen Castellanze, nahe Mailand, wurden sie innerhalb einer Woche nach Lubmin transportiert

(Foto: Nord Stream AG)

Intelligente Molche und die schwersten Ventile der Welt

Im Baubereich der Nord Stream tauchen die beiden Nord Stream-Stränge etwa 120 m hinter dem Meer aus dem Boden auf. Die Stränge sind mit einer dunklen Betonummantelung beschichtet. Es ist kaum vorstellbar, dass die beiden Pipeline-Stränge über 1.224 km auf dem Grund der Ostsee verlaufen und etwa 550 m in einem Graben im Greifswalder Bodden liegen.

Der Energiestandort Lubminer Heide ist der Endpunkt der Nord Stream-Pipeline.

Auf der Lubminer Baustelle winden sich unzählige Rohr- leitungen über-, unter- und nebeneinander. Die Stahl- rohre haben einen Durchmesser von bis zu 1,15 m

Am Endpunkt der beiden Stränge der Nord Stream-Pipeline befindet sich jeweils eine Molchschleuse, in die „intelligente Molche" eingelassen und durch die Pipeline befördert werden. Sie suchen die Rohre von innen nach Korrosions- schäden oder Lecks ab

Das russische Erdgas wird von der Nord Stream-Pipeline in die Wingas-Übernahmestation geleitet, die im Herbst 2011 fertiggestellt sein wird. Im Kesselhaus wird es erwärmt und anschließend auf den Weg nach Europa gebracht

Die Verlegung der Pipeline
 

Der Bau der Nord Stream-Pipeline durch die Ostsee hat im April 2010 begonnen. Vor Beginn der Verlegearbeiten wurde der Meeresboden entlang des gesamten Routenverlaufs sorgfältig auf mögliche Hindernisse untersucht. Flächenecholote lieferten ein detailliertes Bild der Beschaffen-heit des Meeresbodens und erfassten Gegenstände auf dem Grund. Auf der Grundlage dieser Daten legten die Ingenieure im Detail fest, an welchen Stellen der Meeresboden vor der Verlegung der Pipeline vorbereitet werden muss, um beispielsweise ein zu starkes Durchhängen der Leitung zu vermeiden. Außerdem wurde entschieden, in welchen Abschnitten die Pipeline in einem Graben verlegt oder mit Sand überdeckt werden muss und wie Hindernisse oder besonders sensible Gebiete umgangen werden können.

Pipeline-Verlegeschiffe
Drei Verlegeschiffe sind am Bau der Pipeline beteiligt. Durch die Besatzung und Ausrüstung der Schiffe kann die Pipeline durchgehend 24 Stunden am Tag verlegt werden. Der größte Teil der Nord Stream-Pipeline wird von Saipems Cas-toro Sei (C6) verlegt. Das Schiff wird während der Verlegung durch ein Ankersystem positioniert. Im Finnischen Meerbusen kommt die Solitaire von Allseas, ein Verlege- schiff mit dynamischer Positionierung, zum Einsatz, um das Ankern. in Gebieten mit Munitionsaltlasten zu vermeiden. In den flachen Gewässern im und nahe des Greifswalder Boddens (Deutschland) wird Saipems Castoro Dieci (C10), ein Verlegeschiff mit geringerem Tiefgang, eingesetzt. Im deutschen Anlandungsbereich der Pipeline wurde die C10 fest verankert. Die Pipelinestränge wurden von einer an Landstationierten Winde in Richtung Küste gezogen. Die Arbeiten im russischen Anlandungsgebiet wurden von der C6 durchgeführt.

Sichere und effiziente Offshore-Verlegung
Der Ablauf des Verlegeprozesses ist auf jedem Verlegeschiff in Einzelschritte unterteilt - vom Verladen der Rohre bis zum Herablassen der Pipeline auf den Meeresboden. Für jeden Arbeitsschritt ist ein genaues Vorgehen definiert, um eine kontinuierlich hohe Qualität und die Einhaltung der Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften zu gewährleisten. Der Prozess an Bord des Verlegeschiffes Castoro Sei besteht aus den folgenden Schritten:

  • Verladung der Rohre an Bord: Die Stahlrohre werden von den Transportschiffen auf die Lagerflächen auf beiden Seiten des Verlegeschiffs umgeladen. An Bord des Verlegeschiffs werden die Rohre auf Transportschäden untersucht.
  • Lagerung der Rohre an Deck: Die Rohre werden an Deck des Verlegeschiffs gelagert.
  • Doublejoint-Schweißstation: Zwei jeweils 12 Meter lange Rohre werden automatisch zu einem 24 Meter langen sogenannten „Doublejoint" zusammengeschweißt. Alle Schweißnähte werden mittels Ultraschall auf ihre Unversehrtheit hin getestet.
  • Zentrale Fertigungsstraße: Die Doublejoints werden an das Ende des Pipelinestrangs geschweißt. Jeder Millimeter der Schweißnähte wird erneut mittels Ultraschall untersucht, um jeden möglichen Defekt aufzuspüren.
  • Vorwärtsbewegung des Verlegeschiffs: Das Verlegeschiff bewegt sich langsam vorwärts, so dass weitere Doublejoints an den Pipelinestrang geschweißt werden können. Hierzu wird das Schiff mit den Bugankerwinden in Arbeitsrichtung gezogen, während die Heckankerwinden nachgeben.
  • Herablassen der Pipeline auf den Meeresgrund: Die fertiggestellte Pipeline wird über einen Ausleger, den so genannten Stinger, auf dem Meeresboden verlegt.
  • Überprüfung der korrekten Position der Pipeline: Die korrekte Lage der Pipeline auf dem Meeresboden wird kontinuierlich mit einem Tauchroboter überwacht. Die Überwachung des Aufsetzpunktes der Pipeline ist insbesondere bei Kabelkreuzungen und in der Nähe von Wracks erforderlich.

Pro Tag können auf diese Weise etwa 2,5 km der Pipeline verlegt werden. Der Leitungsstrang verläuft zum größten Teil direkt auf dem Meeresboden. In manchen Gebieten, wie zum Beispiel in den Anlandungsbereichen, wird die Pipeline in einem Graben verlegt, der dann mit Sand aufgefüllt wird. So wird die Stabilität der Pipeline auf dem Meeresgrund gewährleistet. Auch in Gebieten mit intensivem Schiffsverkehr wie beispielsweise in Fahrrinnen wird die Pipeline in einem Graben verlegt, um sie vor eventuellen Beschädigungen durch Schiffsanker zu schützen.

Das Verlegeschiff Castoro Sei leistet den Löwenanteil der Verlegearbeiten für die Nord Stream-Pipeline. Es ist mit Ausleger 193 m lang, 70,5 m breit und hat einen Tiefgang von 14 m. Während der Bauarbeiten wird es durch zwölf 25 t schwere Anker in Position gehalten. Pro Tag verlegt es 2,5 km Pipeline

Die jeweils etwa 12 m langen Pipeline-Rohre werden auf dem Schiff miteinander verschweißt, bevor sie ins Meer hinabgelassen werden

Die Nordeuropäische Erdgas-Leitung (NEL) soll das russische Gas ab 2012 von Lubmin nach Rehden, Niedersachsen transportieren. Seit März 2011 wird die NEL auch in der Region Achim, nahe Bremen, gebaut. Die Rohre werden einzeln per Lkw zur Baustelle transportiert und in Position gebracht. Die einzelnen, etwa 18 m langen Rohre werden vor Ort miteinander verschweißt und mit mindestens 1 m Erdüberdeckung im Boden verlegt


Über weite Strecken liegen die einzelnen Rohre auf den geplanten. Trassenabschnitten bereit für ihre Verlegung. Die 440 km lange NEL verläuft von Lubmin in Richtung Schwerin und quert die Elbe nahe Lauenburg. Ab Seevetal verläuft sie parallel zur A 1 bis nach Achim. Durch die Moorlandschaft bei Syke erreicht sie schließlich das nahe Vechta gelegene Rehden

Einige Meter nach dem Auftauchen der Rohre, in der so genannten dry section, liegen die Rohre nun ohne Ummantelung auf Stahlträgern, die in Betonfundamente eingelassen sind. Die Träger sind so gebaut, dass sich die Pipelines bei starker Hitze oder Kälte problemlos ausdehnen oder zusammenziehen können, ohne dass sie beschädigt werden oder Materialspannungen auftreten. Beide Nord Stream Pipelinestränge enden bereits etwa 250 m hinter der Strandlinie, nur wenige Meter vor einem kleinen Wäldchen, dass das Ende der Baustelle markiert. Am Endpunkt befindet sich jeweils eine so genannte Molchschleuse, in die „intelligente Molche" (Inspektionsgeräte) eingelassen und durch die Pipeline befördert werden. Sie suchen die Rohre von innen regelmäßig nach Korrosionsschäden oder Lecks ab. Vor jeder Schleuse ist ein Absperrventil installiert, um das Gas von der Molchschleuse trennen zu können. Die Absperrventile wiegen jeweils 102 t, sind 10,4 m hoch, bis zu 4,1 m breit und gehören zu den schwersten Absperrarmaturen der Welt. Sie wurden speziell für die Nord Stream-Pipeline entwickelt und von einem italienischen Unternehmen produziert. Jeweils zwei dieser Absperrschleusen wurden am russischen Startpunkt und am deutschen Endpunkt der Nord Stream installiert.

Verbindung zwischen Russland und Deutschland
Bisher klafft im Rohrverlauf noch eine Lücke. Die wird jedoch spätestens im Herbst 2011 geschlossen, damit das erste russische Gas durch die Pipeline am Boden der Ostsee nach Lubmin strömen und von dort aus seinen Weg in die europäischen Haushalte finden kann. Mit Inbetriebnahme der Pipeline wird der Hafen von Lubmin zu einem Dreh- und Angelpunkt europäisch-russischer Beziehungen im Bereich der Energiewirtschaft.

Quelle: Exzellent Bauen in Deutschland Juni 2011 (www.exzellent-bid.de)

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